Nach 3.5 Wochen in Vava’u, ganz im Norden Tonga’s, ist es mal wieder Zeit für eine kleine Statusmeldung. Also ich geb es zu: Vava’u hat sich von seiner besten Seite gezeigt und wir haben es ganz fest in unser Herz geschlossen. Und so waren wir auch nicht ganz böse, als es mit der Weiterreise nicht ganz so wie geplant voranging. Oder um es klarer auszudrücken: wir sassen in Vava’u etwas fest.
Eigentlich war geplant, dass wir nach 3 Wochen weiterreisen auf die Inselgrupe Ha’apai. Das liegt etwa in der Mitte des Königreichs. Aber Tonga hat seine öffentlichen Verkehrsmittel nicht so ganz im Griff. Und so sitzen wir nach einer längeren Wartezeit nun doch endlich auf der langsamsten Fähre der Welt (sie braucht für 150km ganze 8 Stunden!!! Da bin ich ja mit Schwimmen schneller!) und schlagen uns eine ganze Nacht um die Ohren. Und weil ich auf überfüllten Fähren auf dem blanken Boden des Oberdecks nicht so gut schlafen kann, schreibe ich für euch diesen Blogbeitrag und hoffe, dass mir bei dem ganzen Geschaukel hier nicht so übel wird. Und damit ihr euch ein Bild von der Situation machen könnt, hab ich euch noch ein paar Fotos gemacht, brandaktuell, von vor 5 Minuten, exklusiv für euch:
Die Fähre ist um Mitternacht in Vava’u losgefahren und sollte Ha’apai gegen 8 Uhr erreichen, wenn alles gut geht…
Aber ihr wollt sicher wissen, was wir in Vava’u so alles angestellt haben. Vava’u ist ein sogenanntes Archipel, also eine Inselgruppe. Und die Inselgruppe Vava‘u sieht von oben aus wie eine Qualle, behaupten zumindest die Einheimischen. Naja, muss man bisschen Phantasie haben:
Die meisten Inselchen sind praktischerweise mit Dämmen miteinander verbunden, so dass man eigentlich den Großteil der Inselgruppe auf dem Landweg erreichen kann.
So auch das kleine Dorf Talihau auf der Insel Utungake. Wir hatten uns dort im Lucky’s Beach einquartiert, bei Kurt und Lynn (beide aus den USA) und zum ersten Mal mussten wir auf die Toilette quer über‘n Hof – auch nachts! War bisschen gewönungsbedürftig. Aber es ist auch nett, wenn der Gang zur Toilette unter einem atemberaubenden südlichen Sternenhimmel entlangführt. Hat was!
Auch ansonsten war es traumschön. Wir genossen den Anblick der türkisblauen Bucht, direkt vor unser Nase:
Ausserdem hatten wir Kajaks zur freien Nutzung. Allerdings mussten wir uns jedesmal bei Kurt, unserem Vermieter, abmelden und – was noch schlimmer war – Schwimmwesten anlegen. War das peinlich! Aber Kurt (er ist Amerikaner, was sonst) liess da nicht mit sich verhandeln. Also machten wir die Mätzchen mit und zogen die Westen sofort ab, sobald wir um die Ecke waren.
Vis-à-vis vom Luckys Beach befindet sich Mala Island mit dem Mala Island Resort. Letzteses hatte geschlossen, wie fast alles in Vava‘u (keine Wale=keine Touristen=keine Hotels offen), und so nutzten wir den Strand dort und das excellente Hausriff, den Japanese Garden:
Hier kam Kurt…
An einem windigen Tag beschlossen wir mal wieder zur Insel Mala rüberzupaddeln und dort am Strand in Sichtweite von Kurt zu baden. Als wir am späten Nachmittag langsam heimpaddeln wollten, hatte der Wind bedrohlich aufgefrischt und konnte nun langsam als kleiner Sturm bezeichnet werden. Und ein Sturm bläst ja bekanntlich selten in die Richtung, wo man mit dem Kajak hin will. So auch heute. Aber es waren nur 500m, das würden wir schon irgendwie schaffen. Schnell noch die leuchtroten Schwimmwesten montiert, immerhin sind wir direkt in Kurts Sichtweite.
Die Mimi stach als erste in See, sie hatte immer etwas länger. Ich machte indessen das Kajak parat, in dem ich mit Leonardo paddeln wollte, als Leonardo plötzlich jämmerlich anfing zu weinen. „Die Romina!“ Der war völlig ausser sich und zeigte in die Richtung, wo der Sturm die Romina samt Kajak hingetriebenen hatte – und das lag gar nicht auf dem Weg zum Lucky’s Beach! Ich paddelte ihr sofort hinterher und Marco kam auch schon durchs flache Wasser gerannt, als ich aus den Augenwinkeln am Lucky’s Beach ein Motorboot ablegen sah. Und das war Kurt‘s Motorboot und da sass Kurt drin und kam direkt zu unserer Insel rüber gefahren.
Er hat uns später erzählt, dass er uns mit dem Fernglas beobachtet hat – wusste ich‘s doch! – und da hat er sofort gemerkt, dass wir ein Problem haben. Jedenfalls war ich ziemlich erleichtert über sein Auftauchen. Die Kids und Mimi‘s Kajak durften mit dem Motorboot fahren und Marco und ich machten Schulterintensivtraining beim Paddeln in der Gegenwindanlage.
Also für alle, denen jetzt die Haare zu Berge stehen: wir hätten es auch ohne Kurt geschafft, aber es wäre ein Krampf geworden. Und irgendwie war das ja auch herzig: als ich mit Marco am Lucky’s Beach ankam, standen dort Kurt und seine Frau Lynn und unsere 3 Kids und alle waren ganz aufgeregt. Das war ähnlich wie auf Nananu-i-ra, wo sich alle Sorgen gemacht hatten, weil wir um 7 noch nicht daheim waren…
Touristen als verspätetes Weihnachtsgeschenk
In der ersten Woche auf Vava’u organisierten wir ein Mietauto und fuhren nach Neiafu. Neiafu ist der Hauptort der nördlichen Inselgruppe Vava’u. Viel läuft da nicht und außerhalb der Walsaison läuft schon mal gar nichts. Entsprechend dörflich war die Atmosphäre – bei gerademal 4.000 Einwohnern kein Wunder.
Also steuerten wir direkt das Tourismusbüro an. Ein überdimensionaler Wegweiser stand im Vorgarten und zeigte alle möglichen Destinationen dieser Welt an. Man gab sich hier weltgewandt:
Wir hatten ja schon seit einigen Tagen das Gefühl, das wir hier die einzigen Touristen sind, aber jetzt ist es amtlich: Im Tourist Office sass eine Dame mittleren Alters, die bei unserem Anblick total ausflippte. „Touristen! Echte Touristen!!! Ihr seid mein verspätetes Weihnachtsgeschenk!“ Wir standen etwas ratlos herum und hatten auf den Schreck vergessen, weswegen wir eigentlich hier waren. Also fragte uns die Dame aus: wie wir denn hier hergekommen waren und wie lange wir bleiben wollten und wo wir hier wohnen.
Bei aller Freude über unser unverhofftes auftauchen erwies sich die Dame jedoch als wenig hilfreich. Sie hatte noch nicht einmal eine Karte von Vava’u (!!!) und vor allem hatte sie keine Ahnung, welche Unterkünfte in Vava’u im Moment offen haben. Bedenklich schüttelte sie den Kopf und meinte, es sei grad keine Walsaison. Na wenigstens das hatte sie auch schon gemerkt! Wir fragten uns ernsthaft, was denn eigentlich hier ihre Aufgabe ist.
Na was soll’s. Wenigstens wusste sie den Weg zum Büro der Fährgesellschaft. Und da würden wir jetzt als nächstes hingehen. Immerhin müssen wir in etwa 3 Wochen von hier nach Ha‘apai fahren und da wollten wir wissen wann die Fähre geht.
Aber auch da war Fehlanzeige! Zwei gutgelaunte Damen hatten es ziemlich lustig in ihrem Container, der das Office der Fährgesellschaft war. Und auf unser Anliegen reagierten sie mit ehrlichem Erstaunen: das weiss doch heute noch niemand, ob und wann in 3 Wochen eine Fähre nach Ha‘apai geht! Da müssen wir einen, höchstens zwei Tage vorher mal vorbeikommen. Ich überlegte einen Augenblick lang, ob ich denen erzählen sollte, dass die SBB ein halbes Jahr im Voraus auf die Minute genau weiss wann und wo ihre Tausenden Züge an- und abfahren, entschied mich allerdings dafür, das für mich zu behalten. Die würden es eh nicht verstehen und ändern können sie es auch nicht… Wir sind in Tonga und nicht in der Schweiz.
Der platte Reifen
So ein Mietauto ist ja eine tolle Sache, wenn alles funktioniert. Aber manchmal tut es das nicht. Und da waren mir schon am Vortag einige Einheimische aufgefallen, die in unsere Richtung winkten und auf unser Auto zeigten. Klarer Fall: wir waren hier die einzigen Touristen und die hatten so viel Freude mit uns, dass sie uns winkten. Ich winkte freundlich zurück und hätte die Sache sicher schnell vergessen, wenn nicht einen Tag später (!) der Tankwart ganz aufgeregt dahergekommen wäre und uns auf den platten Vorderreifen aufmerksam gemacht hätte. Autsch!!! Der war aber ziemlich platt, also genaugenommen fuhren wir schon längst auf den Felgen. Blöd!
Also fuhren wir rüber zum Chinesen, bei dem wir das Auto für‘n Appl und ’n Ei gemietet hatten. Der Chinese „befand“ sich in einem heruntergekommenen Hinterhof und es sah puffig aus und eine riesige Pfütze hatte sich nach dem letzten Regen über den ganzen Hof ausgebreitet. Also kein Ort, an dem man gern länger als unbedingt nötig bleiben möchte. Und da standen wir nun mit unserem platten Reifen mitten in der riesigen Pfütze und der Chinese kam unmotiviert dahergeschlurft. Er drückte fachmännisch an unserem komplett erschlafften Reifen herum und nickte wissend.
Dann rief er einen Angestellten daher und beide betrachten mit ernsten Gesichtern unseren Reifen. „轮胎放气了吗“ „是的,看起来像那样“。“你真的是说“ „我想是… “ „我想知道游客是否使用互联网翻译器来了解我们。“
Okay, da müsste man chinesisch können. Konnten wir nicht und so wurden wir stumme Beobachter dieses Schauspiels: Der Angestellte demontierte mit geübten Handgriffen den Reifen, lud ihn auf einen Pickup und fuhr kommentarlos vom Hof.
Etwa eine halbe Stunde lang passierte nichts und im Hof sah es so aus:
Dann plötzlich kam der Pickup mit kreischenden Reifen auf den Hof gebraust. Der gleiche Reifen – diesmal aber ordentlich mit Luft gefüllt- wurde flux wieder montiert und der Büezer verschwand kommentarlos in irgendeiner Baracke. Wir brauchten ein wenig, bis uns klar wurde, dass es das war und wir nun wieder davonfahren können. Kommunikation und Höflichkeit ist wohl nicht so Chinesens Stärke 😉
Am Abend waren wir noch in der örtlichen Pizzeria bei Mario, dem guten Kollegen von Marco aus Nuku’alofa (ihr einnert euch sicher an Marco‘s Pizzeria).
Auch Mario hatte grosse Freude über unser Auftauchen hier, allerdings nicht weil er mal wieder Italienisch reden konnte. Das hatte er anders gelöst: weil er keine Lust hatte, Englisch zu lernen, hat er kurzerhand allen seinen Angestellten Italienisch beigebracht. Und das klappte tiptop: die Angestellten konnten besser Italienisch als wir!
Jedenfalls haben wir an dem Abend auch über die Chinesen hier geredet und da hat uns der Mario erklärt, wie die Chinesen nach Tonga kommen: die werden von irgendeiner Organisation in China in etwas ärmeren Gegenden rekrutiert, lernen fleissig Tongaisch und kriegen dann hier einen Laden zugeteilt, wo sie ihre Geschäfte machen können. Ich hatte ja immer schon bisschen mafiöse Strukturen hinter den ganzen Chinesen vermutet, aber nun war es amtlich. Und jetzt ist auch klar, warum die Chinesen hier alle kein Englisch können: die brauchen das gar nicht weil sie Tongaisch sprechen.
Übrigens sind die Chinesen bei all ihrer Unfreundlichkeit ein Segen für Tonga: ohne sie gäbe es in Tonga keine Supermärkte und wohl auch sonst keine Geschäfte. Tonganer sind von Haus aus nicht geschäftstüchtig und ziehen es vor, nur dann zu arbeiten, wenn es unbedingt sein muss. Drum sieht man sie auch oft am Abend hektisch am Strand entlanglaufen, weil sie sich noch schnell das Nachtessen zusammensuchen müssen.
Und dann kam Kevin
Eines Vormittags, wir sassen grad alle in unserer offenen Küche, Blickrichtung Garten, als straffen Schrittes ein junger Tourist daherkam. Wir rieben uns erstaunt die Augen – ein richtiger Weisser! Mit Rucksack! Hier bei uns am Lucky’s Beach!!!
Marco gab ihm zwei Stunden Zeit, seinen Kram auszupacken und sich zu installieren, dann ging er rüber zu dessen Bungalow und ward lang nicht mehr gesehen. Ich machte mir irgendwann Sorgen und guckte vorsichtig um die Ecke. Die beiden standen im strömenden Regen unter dem Vordach und schwätzten. Auch gut, wir hatten bisschen wenig soziale Kontakte.
Irgendwann tauchte Marco wieder auf und meinte, der Tourist heisse Kevin und der reist seit 6 Jahren in der Welt herum. Häää??? Ja, Kevin ist auch Affilate – genau wie Marco. Und Kevin‘s Geschäft läuft wohl grad richtig gut. Er ist jung, hat keine Verpflichtungen und reist als sogenannter Arbeitsnomade da hin, wo andere hektisch ihre 3 Wochen Jahresurlaub verbringen. Ein Traum. Das hatte Neidpotential, sogar für uns. Und als Kevin dann am Nachmittag auch noch mit Flossen daherkam, guckte Marco wirklich neidisch. Er wollte auch unbedingt Flossen aber unser Gepäckmanagement liess das nicht zu.
Aber wo Licht ist, da ist auch Schatten. Als wir nämlich am Abend beim Nachtessen sassen und bei Rocchis mal wieder Rambazamba war, fiel mir Kevin wieder ein, der jetzt – ganz allein zu Haus – schweigend sein Nachtessen in sich hineinmümmelte. Und plötzlich beineidete ihn niemand mehr. Der Preis der Freiheit ist oft die Einsamkeit – so auch hier…
Das Übergepäck
Nachdem wir beim letzten Flug umgerechnet 100 Franken Übergepäck zahlen mussten, wollten wir mal bisschen Gepäck abbauen. Da wir das meiste ja noch irgendwie brauchten, fielen mir die Schulbücher der Kinder ein. Die meisten dieser Bücher hatten wir schon fleißig durchgearbeitet, so dass wir die ohne schlechtes Gewissen heimschicken konnten. Also fuhren wir in den Hauptort des Achipels, Neiafu, und suchten dort die Post.
Wir kamen gar nicht weit, da sahen wir das uns gut bekannte Logo von FedEx über einem Laden prangen. Die Kinder waren begeistert: Wir fedexen doch einfach das Päckli nach Hause!!! Woher die Kids ihre Begeisterung für FedEx haben? Ganz einfach: wir mussten ja ganz am Anfang in Tonga den Zyklon in Nuku‘alofa absitzen. Und weil wir da einen Fernseher hatten, haben wir alle zusammen den Film Cast Away mit Tom Hanks geschaut. Ich denke mal die meisten hier kennen den Film und erinnern sich, dass sich der Paketversand FedEx dort einer zentralen Produktplatzierung erfreut.
Und nun standen wir hier in Neiafu vor so einem FedEx-Laden und die Stimmung stieg schlagartig. Wir gingen hinein und ich zeigte der – übergewichtigen – Frau hinter dem Computer freudestrahlend unser Päckli: das muss nach Europa! Die Dame war allerdings gar nicht begeistert. Keine Ahnung, was hier eigentlich ihre Aufgabe wäre, aber Päckli verschicken gehörte augenscheinlich nicht zu ihren Kernkompetenzen.
Mit der typischen Tonganischen Behäbigkeit quälte sie sich hinter dem Schreibtisch hervor und betrachtete ungläubig unser Päckli. Irgendwann kam ihr dann die Idee, dass man das Päckli vielleicht wiegen müsste. Na, immerhin! Aber wo war nur diese verdammte Waage? Sie schaute sich suchend in ihrem kleinen Büro um, dreimal um die eigene Achse und schwupps: da isse ja! Ganz oben auf dem Schrank!!! Hinter der Weihnachtsdeko (wir haben bereits Februar!!!). Jetzt wurde die Waage umständlich freigeräumt, vorsichtig heruntergehoben und notdürftig vom Staub befreit. Unsere gute Stimmung wich einer tiefgreifenden Ernüchterung. Das kommt sicher nicht gut!
Aber immerhin: die Waage funktionierte noch. 2,8 Kg sollten ihren Weg in die Schweiz finden. Aber was war nochmal der Kilopreis für in die Schweiz? Aus den unergründlichen Tiefen ihres Schreibtisches zauberte die Dicke eine Preisliste hervor und begann, diese geduldig zu studieren. Ratlos blätterte sie zwischen den Seiten hin und her und wurde offenbar nicht draus schlau. Trotz der gefühlten 15 Grad im Büro – wenigstens die Klimaanlage funktionierte – begann sie sichtbar zu schwitzen. Marco dauerte das alles viel zu lange. Entnervt nahm er ihr die Liste aus der Hand und staunte nicht schlecht: da waren alle Länder drauf alphabetisch sortiert, aber – oh Schreck!- die Liste hörte bei N wie Norwegen auf. Da war offenbar das Druckerpapier alle geworden. Aber Marco hat ja nicht umsonst in St. Gallen studiert, wenn er nicht auch hier eine Lösung gefunden hätte. Er schaute einfach bei G wie Germany! Ist ja gleich nebenan, da wird das sicher ähnlich viel kosten.
Aber autsch!!! Wir trauten unseren Augen nicht: 200 Panga‘a (100 Franken)! Da staunte sogar die Dicke und hatte durchaus Verständnis, dass wir uns verschreckt vom Acker machten.
Also wollten wir es mal bei der Tonganischen Post probieren. Aber auch das wurde zur Odyssee. Da wo die Post laut Google Maps hätte sein sollen, war sie schon lange nicht mehr. Umständlich wurde uns der Weg zur Post beschrieben. Wir hielten uns akribisch an diese Beschreibung und landeten vor einem Spirituosenladen, war ja klar! Also fragte Marco ein paar junge Frauen am Strassenrand, ob sie denn wüssten, wo hier die Post ist. Aber die lachten nur schüchtern. Marco war genervt und hakte nach, ob sie denn noch nie ein Packet oder einen Brief versendet hätten. Briefe versenden? – hihihi – das macht man doch mit dem Smartphone!
Das war ja zum Haare raufen! Irgendjemand auf dieser Insel muss doch wissen wo die Post ist. Also fragten wir im Spirituosenladen einen herumlungernden Kunden. Und der hatte zumindest schon mal was von einer Post gehört! Die war doch da hinten in so einer kleinen Seitenstraße! Häää?! Ich hatte tiefsitzende Zweifel. Postämter befinden sich nie in irgendeiner kleinen Seitenstraße, und zwar weltweit. Aber hier in Tonga war das offenbar anders, denn wir fanden die Post tatsächlich in der beschriebenen Seitenstraße.
Und nun ging alles ganz schnell. Der Angestellte der Post hatte offenbar schon mal mit Paketen zu tun gehabt und die Waage stand auch griffbereit vor ihm auf dem Tisch! So musses sein!!! Aber oweh! Der Preis haute uns grad aus den Latschen: 280 Panga’a zeigte sein Taschenrechner an. Das war ja noch teurer als bei FedEx! Wir waren ratlos. Die Bücher da drin hatten höchstens einen Wert von 30 Franken bei Wiederbeschaffung. Da kommen wir besser, wenn wir sie einfach irgendwo entsorgen.
Naja, vorher wollen wir es mal in Samoa versuchen.
Marco hat das Gefühl, dort könnte es viel billiger sein…
Die Crux mit der Sonnencreme
Beschaffungsstress ist in der Südsee ein zuverlässiger Begleiter. Nichts ist genau dann verfügbar wenn man es braucht. Unser Vermieter hat sich zum Beispiel beschwert, dass man in Neiafu noch nicht einmal Unterwäsche zu kaufen kriegt. Er fliegt immer nach Neuseeland wenn er mal wieder eine U-Hose braucht.
Aber uns plagten eher andere Sachen. Zum Beispiel Sonnencreme. Die ist existenziell für uns Bleichhäuter. Aber eben auch nicht überall verfügbar. Und da wir die Engpässe schon bisschen geahnt hatten, sind wir frühzeitig auf die Suche gegangen, in Tonga‘s Hauptstadt Nuku‘alofa. Und da hatten wir im dritten Laden so eine Art Glück: wir fragten die Verkäuferin – und tatsächlich – jaaa, sie hatten doch mal irgendwo Sonnencreme… Muss irgendwo hinten links sein. Wir fanden sie eher so Mitte rechts, nach längerer Suche. Und da staunten wir Bauklötze: Lichtschutzfaktor 8!!! Dafür war sie aber auch erst vor 4 Jahren abgelaufen.
Wir gaben auf und wollten es in Neiafu mal versuchen. Und da! Bingo!!! Im Supermarkt vom Chinesen – der gleiche Chinese der uns das Auto vermietet hatte – wurden wir fündig. Lichtschutzfaktor 65+!!! Na, da brat mir doch einer ’nen Storch! Wir kauften freudig die letzten zwei Tuben und dachten an nichts Schlimmes. Bis wir zuhause die Tuben etwas genauer anschauten:
Whitening??? Oh Gott! Was in aller Welt soll das denn werden??? Vor meinem geistigen Auge sah ich uns alle als Albinos rumlaufen. Aber es kam noch schlimmer. Am nächsten Tag trugen wir ganz vorsichtig eine hauchdünne Schicht dieser Bleichcreme auf und hofften das Beste. Am Abend hatten wir alle Sonnenbrand. Wir haben nicht so ganz herausgefunden was das Problem ist, aber irgendwie nützt die Creme gar nichts. Wir benutzen sie nur noch nach Einbruch der Dunkelheit 🤣
Was wir sonst noch so gemacht haben
Aber neben all den platten Reifen, nicht abgeschickten Paketen und der üblen Sonnencreme interessiert euch sicher vor allem, was wir hier so gemacht und erlebt haben.
Also, wir haben Höhlen besucht:
Waren viel Schnorcheln:
Sind mit dem Mietauto über die Insel gecrosst:
Auf dem Rückweg von so einem Ausflug kamen wir in einem Dorf an ganz vielen aufgebrezelten Einheimischen vorbei:
Da schien das ganze Dorf unterwegs zu sein. Ich fotografierte munter die gutgelaunten Dorfbewohner. Marco fragte dann nichtsahnend, was die denn hier feiern. Ach, die gehen alle auf eine Beerdigung. Uuuuups! Ich pack dann mal diskret die Kamera weg…
Schulbesuch in Talihau
Auch ein Schulbesuch stand wieder auf dem Programm. Wir machen das ganz gern, damit auch die Kinder mal andere Schulen gesehen haben. Und es ist immern wieder erstaunlich, wie ähnlich die Schulen und auch die Schulsysteme der Südsee-Staaten denen der Schweiz sind. Die Schulen sind ähnlich organisiert: die Primarschule geht von der 1. bis zur 6. Klasse, in kleineren Dörfern werden mehrere Klassenstufen zusammen unterrichtet und auch die Schulzimmer sehen immer irgendwie ähnlich aus:
Übrigens hat Kurt, unser Vermieter am Lucky’s Beach, seinen Sohn die Primarschule in Talihau besuchen lassen und er war positiv überrascht über das hohe Niveau der Schulbildung. Er meinte, mit einem Schulabschluss von Tonga kann man Problemlos an internationalen höheren Schulen oder Universitäten studieren.
Bei uns ging die Schule auch weiter. Manchmal hab ich dann den Unterrichtsinhalt an aktuelle Begebenheiten angepasst. Zum Beispiel habe ich auf dem Grundstück von Kurt dieses komische Ding gefunden:
Und da hab ich das Ding in unser Küchen-Schulzimmer geschleppt und die Kids mussten – im Rahmen des Naturkundeunterrichts – erraten was das ist. Also vom Anker bis zum Elefantenknochen war alles dabei. Aber sie haben es nicht herausgefunden. Es ist ein Walknochen, und zwar ein Wirbelstück aus dem Beckenbereich eines Buckelwales. Sie mussten dann den Knochen und einen Buckelwal malen. Buckelwale kommen übrigens jedes Jahr von Juni bis Oktober nach Tonga, um hier in den warmen Gewässern ihre Jungen zur Welt zu bringen. Und dann ist Tonga voll – und nicht nur von Walen 😉
Und hier noch die Zeichnungen der Kids:
Ein Regentag im Lucky’s Beach
Ich hatte ja vor der Reise immer ein wenig Angst davor, wie wir die Kinder beschäftigen, wenn es mal richtig lang regnet. Und die Angst hat sich als total unbegründet erwiesen. Erstens regnet es hier – wenn überhaupt – höchstens mal einige Stunden, vielleicht mal einen Tag, aber das ist schon eher ungewöhnlich. Und ausserdem kann man auch im Regen richtig Spass haben. Der Regen ist nämlich auch warm und ausgesprochen lustig, wie ihr den folgenden Fotos entnehmen könnt:
Meine Kalmares
Also ich geb es zu: ich hab eine Schwäche für Kalmares. Also nicht im kulinarischen Sinn – okay das auch – aber vielmehr habe ich Freude, wenn ich sie beim Schnorcheln sehe. Ich habe sie nie kommen sehen. Sie tauchen jedesmal aus dem Nichts auf und dann stehen sie jedesmal im Wasser im Halbkreis um mich herum und beobachten mich. Und ich sie. Und meine Gopro auch, wobei sie jedesmal 50.000km Filme macht und unzählige Fotos. Ich kann mich da einfach nicht stoppen. Ich muss einfach. Und Marco macht langsam Ärger, weil die ganzen Fotos und Filme unsere sämtlichen Speicherkapazitäten sprengen. Aber was soll ich machen? Die Kalmares sind einfach zu süss:
Ich mach dann immer Handzeichen oder tanze im Wasser vor ihnen herum und die gucken dann immer, was ich so mache und dann kommen sie mal näher und gucken bisschen genauer. Meist haben sie es dann nach einer halben Stunde langsam gesehen und verlieren das Interesse, oder müssen noch woanders hin. Jedenfalls sind sie immer plötzlich weg. Ich hab sie nie wegschwimmen sehen.
Einmal hatte ich ein ganz besonderes Erlebnis mit einem grösseren Exemplar. Es kam auf mich zu und machte eine riesen Show, „flatterte“ vor mir herum und wechselte die Farbe. Mal war er ganz schwarz, dann wieder ganz hell – fast durchsichtig, dann wieder schimmerte er in allen Regenbogenfarben. Dabei näherte er sich mir ganz unbemerkt. Ich streckte ihm vorsichtig eine Hand entgegen und er streckte mir einen seiner vielen Arme entgegen. Also das war fast wie bei Jane Goodall. Ihr erinnert euch sicher an die junge Engländerin, die in den 60 ger Jahren wochenlang im Dschungel Afrikas gehockt ist und Schimpansen beobachtet hat, bis an jenem denkwürdigen Tag einer der Schimpansen auf sie zukam und sie an der Hand berührt hat. Und so war das jetzt hier: der Kalmar war etwa 1 cm von meiner Hand entfernt und man konnte ihm die Neugier förmlich ansehen. Aber im letzten Moment hüpfte er dann doch schüchtern davon.
Traue keinem Stein!
Ich hatte ja immer schon vermutet, dass sich des Nachts rätselhafte Kreaturen am Riff herumtreiben. Und seit Marco bei AliExpress eine Unterwasserlampe gekauft hat, können wir uns die Kreaturen der Nacht im Riff anschauen. Allerdings braucht es immer etwas Überwindung, im Dunkeln ins Wasser zur gehen, nicht wegen der Angst, sondern weil es auch in der Südsee in der Nacht etwas abkühlt.
Lorenzo scheint das aber generell nicht zu stören, er ist immer mit Begeisterung dabei wenn ich frage, wer mitkommen will. Und da sind wir im Mystic Sands regelmäßig nach dem Nachtessen noch Schnorcheln gegangen, was immer ein Erlebnis war. Da tauchen die merkwürdigsten Kreaturen im Lichtkegel der Lampe auf und werfen gespenstische Schatten:
Ich gebs zu, die meisten der hier abgebildeten Viecher hatte ich vorher noch nie gesehen und sie stehen auch in keinem Rifführer drin. Besonders schön sind immer wieder die Feuerfische, die nachts auf die Jagd gehen und dann auch recht aktiv sein können.
Genau wie diese Kegelschnecke hier. Kurt hatte uns schon vor der gewarnt, wir sollten die auf keinen Fall anfassen, die schiessen Giftpfeile vorne raus!
Ein Highlight sind auch immer Steinfische, das heisst wenn man sie sieht. Hättet ihr sie da erkannt? Also das sind sogar zwei:
Mal abgesehen davon dass sie extrem giftig sind, sieht man sie eigentlich nur, wenn sie sich zufällig mal bewegen. Meist tun sie das aber nicht und hocken nur faul auf dem Sandboden herum. Dort sehen sie aus wie Steine, daher auch der Name. Und von denen haben wir bei uns am Steg recht viele beim Nachtschnorcheln gesehen. Manche allerdings auch erst auf den 2. Blick. Woraufhin der Lorenzo, der sich gern beim Abtauchen an Steinen festhält, richtigerweise feststellte, dass man hier keinem Stein trauen kann.
Das mit den Steinfischen nahm dann übrigens noch ein böses Ende: aus irgendeinem Grund hat Marco am nächsten Morgen dem Angestellten vom Mystic Sands erzählt, dass wir da Steinfische gesehen hatten. Daraufhin ist der losgezogen und hat einen der Steinfische harpuniert und den Fisch aufgegessen. Er meint, die Steinfische seien zu gefährlich für die Gäste. Und die Moral von der Geschichte? Erzähl nie einem Eingeborenen was Du im Wasser gesehen hast, vor allem dann nicht, wenn du willst, dass die Viecher den nächsten Tag noch erleben…
Mystic Sands
Nach zwei Wochen am Lucky’s Beach haben wir dann mal die Unterkunft gewechselt und sind ins Mystic Sands umgezogen, einer kleinen Bungalowanlage am Strand. Dusche und Toilette inhouse!
Auch hier hatten wir wieder Kajaks zur Verfügung und da gingen wir einmal zur vis a vis gelegenen Lotuma Insel.
Die Insel war wohl früher mal ein militärischer Stützpunkt. Jedenfalls stehen da halbverfallene Baracken herum und ein etwa 10 Meter hoher Wachturm. Und der sah sogar noch ganz stabil aus:
Bei näherer Betrachtung stellten wir aber fest, dass die Metall-Leiter ziemlich rostig war.
Also ich geb es zu: ich hatte ziemlich die Hosen voll und hab mehrere Anläufe gebraucht, bis ich es auf den Turm geschafft habe:
Marco’s Traum von der Harpune
Hier im Mystic Sands ging für Marco ein Traum in Erfüllung: es gab Flossen und – tätääää – eine Harpune! Marco war glücklich! Allerdings ist auch das Fischen mit Harpune nicht ganz einfach. Da muss sich nämlich erst einmal ein Fischlein finden, das gross genug zum gegessen werden und dumm genug ist, sich dem gefährlichen Ende der Harpune auf weniger als zwei Meter zu nähern.
Drum wurde fleissig der Umgang mit der Harpune geübt:
Dann doch lieber mit der Angel?
Da hat man doch besser den Plausch beim Sprung ins Wasser:
Okay, vielleicht doch besser alleine Fischen gehen…
Am dritten Tag war es dann soweit: es gab 3 verschiedene Sorten Fisch zum Nachtessen:
Das wurde auch höchste Zeit, weil wir mal wieder mit den Nahrungsmitteln etwas knapp dran waren. Und diesmal war es keine Fehlkalkulation unsererseits, sondern das lag an der Fähre, die uns eigentlich nach 3 Wochen Vava’u nach Ha‘apai bringen sollte. Ich hatte ja Eingangs schon erwähnt, dass hier niemand so genaue Prognosen darüber machen kann, wann diese Fähre genau fährt. Immerhin haben wir irgendwann herausgefunden, dass es eine schnelle Fähre gibt, die es in 3 Stunden nach Ha‘apai schafft, während die langsame Fähre für die gleiche Strecke 8 Stunden braucht. Jesses, da bin ich ja mit Schwimmen schneller!!!
Jedenfalls wollte es der Zufall, dass die schnelle Fähre grad kaputt ist – auf unbestimmte Zeit. Und da Marco kein Budget für den 30-minütigen Flug freimacht, müssen wir 8 Stunden auf dieser Rostfähre ausharren. Also ich geb’s zu, ich hab heimlich geschaut was der Flug kosten würde und hätte die Kosten selbst übernommen, aber – oh Schreck! – Flüge gibt’s erst wieder in einer Woche!!! Das Flugzeug von Realtonga ist offenbar auch kaputt.
Und die Fähre kam und kam nicht. Nicht am Mittwoch, wie geplant, und auch nicht am Donnerstag. Mosi, unsere Staff, erklärte uns, dass die Fähre hier genau vor unserem Strand vorbeifahren würde. Und wenn wir sie kommen sehen, hätten wir mindestens 8 Stunden Zeit, bis sie in Neiafu abfahren würde. Da war immer noch Zeit zum Packen. Und da sassen wir im Mystic Sands fest und beobachteten unsere Bucht, ob denn endlich die Fähre käme.
Aber ich schulde euch ja noch die Auflösung vom Suchbild aus dem letzten Blog: also es handelt sich um eine Koralle – die Nonna hatte Recht. Gratulation!
Und da hab ich für euch grad noch ein weiteres Rätsel. Der Lorenzo hat etwas Seltsames im Wasser gefunden, ist etwa 2cm lang. Was könnte das sein?
Und damit verabschiede ich mich von euch – vom vielen Geschaukel auf der Fähre bin ich jetzt doch etwas müde geworden. Ich melde mich dann wieder von Ha’apai.
Und Tschüss!
23. Februar 2020 um 11:53
Liebe Andrea, Marco, Romina, Lorenzo und Leonardo,
super-gerne lese ich euren Blog ! Fantastische Bilder, schöne Geschichten und tolle Abenteuer. Ein riesiges Kompliment.
Ich tippe beim Rätselbild auf eine Meeresschnecke. Muschel verworfen, weil zu einfach, Seeigel verworfen, da nicht radiar-symetrisch gestaltet. Bin neugierig auf die Lösung.
Liebe Grüsse und bleibt alle gesund
Claudia
23. Februar 2020 um 12:02
Liebe Familie.
Sooooo interessant was ihr da alles erlebt.Vor allem verwundere ich mich, wie ihr das immer wieder schafft so tolle schöne Orte und Leute zu finden.
Die GENIALEN Fotos unter Wasser sind sehr gelungen.
„Tauchen wäre nicht so mein Ding“ 😉
Es macht grosse Freude Ihre Berichte lesen zu dürfen.
Merci viu mou und liebe Grüsse aus Ipsach.
R.Arn
23. Februar 2020 um 19:50
Liebe Andrea und Co. Danke für deinen Bericht. Toll was ihr wieder alles erlebt hat und bis jetzt alles gut und ohne grosse
Zwischenfälle verläuft. Wir wünschen euch weiterhin alles Gute und viel Spass
Nonnis
Rätsel: auf dem Rücken liegende Schnecke.? Sieht aus wie Saugnäpfe.
28. Februar 2020 um 22:21
Hoi zäme
Vielen Dank für die Fortführung des Abenteuerberichts aus der Südsee. Ihr könnt nach eurer Rückkehr ein Buch schreiben über die Erlebnisse!
In diesem Teil hat mir besonders das Spielzeug für grosse und kleine Jungs gefallen … ich wäre auch begeistert gewesen 🙂
Liebe Grüsse aus der Schweiz in Corona Angst
Jürg
28. Februar 2020 um 22:55
Pronto!
Ja das werden wir – wobei bis dann das Buch ja schon geschrieben ist: wir müssen ja nur noch diese Webseite in Buchform für uns rausbringen, so wie Andrea jetzt auch schon am vierten Fotobuch ist (je Land ein Fotobuch).