Und da bin ich wieder! Wir sind gestern am Morgen um 5 Uhr Ortszeit in Frankfurt gelandet und durften unbehelligt in die Schweiz einreisen. In Deutschland wären wir quarantänepflichtig gewesen, in der Schweiz nicht. Das soll mal einer verstehen. Aber wir verstehen in dieser Pandemie vieles nicht. Wahrscheinlich sind wir einfach nicht schlau genug.
Und damit möchte ich unauffällig zu den interessanten Dingen überleiten: unserer letzten Reiseetappe. Da hatte ich mich ja beim letzten Blogbeitrag aus der kleinen Küstenstadt Lüderitz gemeldet.
Lüderitz – das muss man leider so sagen – hatte schon bessere Zeiten. Die schönen deutschen Kolonialbauten gammeln elendig vor sich hin und bedürfen einer dringenden Renovation. Und so sieht es nicht selten ähnlich gammelig aus wie in einer ostdeutschen Kleinstadt:
Wir hatten uns eine Wohnung in der Bismarckstrasse gemietet. Das gab dann mit dem Navi immer Probleme. Aus irgendeinem Grund wollte es uns immer auf die Insel Sylt schicken. Wir wären mehrere Tage unterwegs gewesen 😉
Bei der Recherche zu einer Unterkunft in Lüderitz hatten wir etwas Mühe. Die Romina übernimmt diesen Job immer gerne und die meinte dann nach einer Stunde Sucherei auf AirBnb, dass sie nur eine Unterkunft für fünf Personen gefunden hatte: ein „historisches Gebäude im Herzen von Lüderitz“. Marco maulte herum, dass die Beschreibung schon ziemlich aufdringlich nach quietschenden alten Dielen tönt. Und da kamen wir an einem Samstag Nachmittag in der Bismarckstrasse 25 an und das erste was wir im Treppenhaus feststellten, war, dass die alten Dielen jämmerlich quietschten. Familie Rocchi brach in herzhaftes Lachen aus und die Vermieterin guckte äusserst irritiert und fragt sich wahrscheinlich immer noch, was an ihrem Treppenhaus so lustig ist. Und hier noch das historische Gebäude mit den lautstarken Dielen:
Selbst mit ganz viel Fantasie erkennt man zwischen den beiden Aufnahmen keine Unterschiede. Und das war auch innen so. Zum Glück hatten wir das Haus für uns alleine, sonst wären uns die Dielen sicher auf den Geist gegangen.
Jedenfalls wollte die Romina am Nachmittag für die ganze Familie eine Nudelsuppe kochen und da hörte ich sie plötzlich in der historischen Küche lautstark fluchen. Marco kam auch sofort herbei und meinte, der Wasserkocher sei kaputt. Da ich vor einer Stunde damit Kaffee gekocht hatte, guckten mich alle vorwurfsvoll an. Ich schaute vorsichtig, ob der Stecker in der historischen Steckdose korrekt steckte und knöpfelte fachmännisch an der altertümlichen Elektrik herum. Also um es kurz zu machen: nach eingehender Analyse der Situation stellten wir gemeinsam fest, dass kein Strom da war. Und zwar nicht nur in der Küche nicht, sondern im Ganzen Haus. Wir fanden dann nach längerer Suche den zentralen Sicherungskasten im oberen Stockwerk (gehört sowas nicht eigentlich ins Erdgeschoss???) und merkten, dass dort alle Sicherungen eingeschaltet waren. Na super, hatten wir die Hauselektrik geschrottet! Marco griff genervt zum Telefon (er hatte es ja kommen sehen!!!) und rief unsere Hausverwaltung an. Er beschrieb eingehend unser Problem und ich hörte die Dame am Telefon schallend lachen: „All Lüderitz is down!“ Und zwar schon seit zwei Stunden! Ob wir denn die Notstromaggregate nicht gehört hätten. Na, bei dem Lärm mit den quietschenden Dielen war das ja wohl kaum möglich. Naja, wir erkundigten uns besorgt, wann denn mit dem Strom wieder zu rechnen sei. Oooch, so gegen Abend wird der schon wieder da sein, die haben das hier regelmässig und meistens kommt der Strom nach einigen Stunden wieder!
Blöd für Mimi’s Nudelsuppe! Aber als Camper weiss man sich zu helfen. Wir holten unseren Gaskocher aus dem Auto und schon gabs Nudelsuppe:
Lüderitz zeigte sich heuer nicht gerade von seine besten Seite. Wir schlenderten bisschen durch die kleine Stadt, auf der Suche nach irgendwelchen Sehenswürdigkeiten.
Auf unserem Weg quer durch das Stadtzentrum standen wir plötzlich vor einem Schild mit dem Namen „Lüderitz“:
Als ehemaliger Eisenbahner der Deutschen Reichsbahn wusste ich sofort: das ist ein historischer Bahnhof. Spurweite 1067mm, kein Rost auf dem Gleis = im aktiven Einsatz. Sofort waren alle begeistert bei der Sache. Mal schauen, was hier so geht. Wir kamen dann in den historischen Lokschuppen und staunten nicht schlecht: statt diverser Loks und Draisinen befanden sich hier Armutsunterkünfte. Jemand hatte quer durch den historischen Lokschuppen eine Wäscheleine gespannt und es hing löcherige vergilbte Wäsche herum. Na, aber hallooo! Einige herumlungernde Schwarze grüssten nett und wunderten sich gar sehr, was wir hier so trieben. Marco kennt da keine Scheu und fragte mal direkt, ob die hier wohnen. Ja klar, sie haben es sich da gemütlich eingerichtet, wir sahen einige Matratzen und Feuerstellen. Bisschen schräg die ganze Szene.
Aber dann entdeckte ich etwas Spannendes: ein Oberlicht! Ein echter Oberlicht-Eisenbahnwaggon, Baujahr wahrscheinlich um die letzte Jahrundertwende.
Leider war keinerlei Firmenbezeichnung oder sonstige Herstellerangaben mehr vorhanden. Also wer da irgendwie weiterhelfen kann und weiss, was das für ein Waggon ist: bitte melden!!!
Hier noch mal eine Ansicht von innen:
Jetzt fragt ihr euch wahrscheinlich, was wir in Lüderitz eigentlich wollten. Also wir waren tatsächlich weder wegen der Stadt noch seiner Stromversorgung und schon gar nicht wegen des permanent kühlen und nebligen Wetters hier. Und auch nicht wegen der Quietschdielen oder der Zufallsentdeckung des Bahnhofs. Wir waren nach Lüderitz gereist wegen der Pinguine und der Diamanten-Geisterstadt Kolmannskuppe.
Pinguine in Afrika?
Jaaa, hier gibts Pinguine, und zwar ganz schön viele! Und denen wollten wir als erstes einen Besuch abstatten. Dazu muss man mit einem Katamaran auf eine der vorgelagerten Inseln fahren. Dort lebt eine riesige Pinguin-Kolonie. Wir buchten die Tour gleich für den nächsten Morgen, wurden aber darauf hingewiesen, dass die Tour nur bei gutem Wetter stattfindet. Offenbar ist das Meer häufig so stürmisch, dass selbst ein Katamaran nicht auslaufen kann. Aber wir hatten so etwas wie Glück. Ich fand das Wetter zwar mieserabel, aber der Capt’n meinte, so gutes Wetter war lange nicht. Naja, guckt ihr besser selbst:
Unser Capt’n machte uns dann darauf aufmerksam, dass da auch noch einige Flamingos herumstehen. Und tatsächlich, mit bisschen Zoom sieht man einige rosa Beine:
Auf dem Rückweg kamen wir noch an den Robbeninseln vorbei. Die stinken auch hier ganz furchtbar, wie ihr sehen könnt:
Irgendwann entdeckte Marco auf dem Meer etwas Merkwürdiges und fragte den Capt’n was das ist. Der Chef grinste und fuhr an das Merkwürdige etwas näher heran:
Beim Näherkommen erkannten wir zwei Robben, die merkwürdige Verrenkungen auf dem Wasser vollführten. Und wisst ihr was die hier machen? Neeeiiiiin, nicht was ihr denkt! Denen ist es zu heiss und drum halten sie abwechselnd die eine und dann wieder die andere Flosse in den Wind zum Durchlüften.
Wir waren nach der 3-stündigen Fahrt auch ordentlich durchgelüftet und meine Frisur hatte sich endgültig von mit verabschiedet. Leonardo war auch auf Tauchstation gegangen – er hatte für heute genügend exotische Tiere gesehen.
Nur Lorenzo sah noch frisch aus und suchte hochmotiviert nach Delfinen:
Nach so viel Meer hatten wir am Abend ordentlich Hunger und gingen in den Lüderitz Yacht Club essen.
Laut Tripadvisor ist der Lüderitz Yacht Club die schlechteste Kneipe in Lüderitz. Jetzt fragt ihr euch sicher, warum wir ausgerechnet dort eingekehrt sind. Also wir sind keine kulinarischen Masochisten oder so. Viemehr ist der Lüderitz Yacht Club die einzige Kneipe im sehr weiten Umkreis, die am Sonntag offen hat. Und da hatten wir bisschen Angst, dass das dann ordentlich voll sein würde. Also wollten wir nichts dem Zufall überlassen und einen Tisch reservieren. Aber der Wirt hat uns nur ausgelacht! Wir müssen doch nicht reservieren, hier ist immer was frei! Und der hatte ganz Recht: wir waren die einzigen Gäste. Also zumindest die Einzigen die hier gegessen haben. An der Bar tummelte sich sehr viel stark alkoholisiertes Volk und das wurde dann ein ausgesprochen lustiger und lautstarker Abend.
Am nächstenTag war Montag und da hatte Udo’s Werkstadt wieder offen. Wir mussten ja noch unsere zerbrochenen Dachträger ersetzen lassen. Marco brachte das Auto am frühen Morgen und nach einer Stunde waren die neuen Dachträger montiert und wir bereit für die Weiterreise. Unsere nächste Etappe war die berühmte Diamanten-Geisterstadt Kolmannskuppe.
Kolmannskuppe
Also ich will es nicht unnötig spannend machen: Wir haben hier weder Geister noch Diamanten gefunden. Aber auch ohne Geister und Diamanten war der Ort äusserst sehenswert.
Kolmannskuppe wurde 1909 von den Deutschen Kolonialherren gegründet, nachdem ein Eisenbahnarbeiter, der jeden Morgen das Gleis von den Sanddünen freikehren musste, einen faustgrossen Diamanten gefunden hatte. Ab da war hier die Hölle los.
Plötzlich wollten alle vom grossen Kuchen etwas abhaben und so wurde hier jedes Sandkorn umgedreht. Kolmannskuppe war dann in den 20gern des letzten Jahrhunderts dermassen erfolgreich, dass die hier gefundenen Diamanten 20 Prozent der damaligen Fördermenge weltweit ausmachten!
Entsprechend floss hier der Champagner. Während die ganze Welt unter einer Wirtschaftskrise ächzte, wurden hier Villen in die Wüste gebaut mit einem riesigen Spital, einer Schule, Geschäften, Kasino, Schwimmbad, Turnhalle und Kegelbahn. Die Einwohner von Kolmannskuppe wurden jeden Tag mit Eis für den Eisschrank und kühlen Getränken versorgt. Trinkwasser wurde per Schiff aus Südafrika angekarrt.
In den 50ger Jahren wurde Kolmannskuppe dann aufgegeben, weil man anderswo ergiebigere Diamantenfunde aufgetan hatte. Und seither rottet das hier pittoresk vor sich hin. Von Weitem sieht man davon jedoch noch nicht viel:
Kommt man aber näher, sieht man, wie sich die Wüste den Ort nach und nach zurückholt. Aber lange Rede kurzer Sinn, guckt ihr am besten selbst:
Und in der Turnhalle – eigentlich eher eine Mehrzweckhalle weil hier auch Konzerte und Opern aufgeführt wurden – stand ein altes verstimmtes Klavier. Und da fiel dem Lorenzo ein, dass er ja noch den Beethoven üben muss:
Und damit haben wir uns nach zwei Tagen von Lüderitz verabschiedet. Unsere nächste Station war Keetmanshoop.
Köcherbäume und Geparden
Nach Keetmanshoop geht man wegen des berühmten Köcherbaumwaldes. Der Köcherbaum ist kein richtiger Baum, sondern eine hochstämmige Aloe. Die Buschleute haben aus den Ästen Köcher für ihre Pfeile hergestellt, daher der Name. Da ich wusste, dass sich unsere Kids sicher nicht so für Bäume interessieren, die noch nicht einmal richtige Bäume sind, musste ich zu einer List greifen. Von früheren Reisen wusste ich, dass der Farmer, auf dessen Farm die Köcherbäume stehen, Geparden als Haustiere hält. Ich hatte vor über 20 Jahren hier meinen ersten Geparden gestreichelt und nun war die Ewartungshaltung riesig.
Allerdings gab es da einen herben Dämpfer: Es waren immer noch zwei Geparden auf der Farm und die werden auch immer noch jeden Abend um 5 Uhr gefüttert, aber die Kids durften die Geparden nur durch den Zaun bewundern.
Wir waren etwas enttäuscht und gingen am anderen Morgen die komischen Bäume angucken.
Also wenn wirklich nur Köcherbäume da gewesen wären, wären wir da nach fünf Minuten durch gewesen. Aber irgendwie hatten wir hier das Gefühl dass uns da jemand beobachtet:
Es handelt sich übrigens um eine Felsen-Agame, die hier im Köcherbaumwald recht häufig vorkommt. Und dieses Exemplar war sehr neugierig und sorgte für grosse Unterhaltung.
Irgendwann war es der Agame dann zu blöd und sie verschwand mit affenartiger Geschwindigkeit hinter dem nächsten Felsblock.
Giants Playground
Apropos Felsblock: auf der Farm befindet sich auch noch der sogenannte Giants Playground, der Spielplatz der Riesen. Den wollten wir auch noch angucken, bevor es dann wieder zu heiss würde.
Es gibt hier einen Wanderweg, der abenteuerlich ausgeschildert ist. Also wir sind da bisschen herumgeirrt und haben nur mit Mühe den Weg zurück zum Auto gefunden. Die Landschaft selbst ist beim Finden des Weges leider auch keine Unterstützung, es sieht alles irgendwie so hier aus:
Ich sah dann irgendwann einen besonders grossen Spielhügel und hatte die glorreiche Idee, die Familie könnte ja da drauf klettern und ich mache ein Heldenfoto:
Ich hatte gerade auf den Auslöser gedrückt, als ich Marco wild herumfluchen hörte. Oje, was war denn nun wieder passiert?!
Leodardo hatte bei der Kletterei auf dem Felsen einen Flipflop verloren und der war nun spurlos in einer dieser Felsspalten verschwunden. Marco rief irgendwas von hoffnungslos – müssen wir gar nicht erst suchen. Ich wagte den Einwand, dass Leonardo nur mit einem Latsch nicht hier herumlaufen kann. Überall liegen Dornen herum und ab um 11 ist es eh zu heiss für barfuss laufen.
Da gab es nur eins: der Latsch musste wieder auftauchen. Zehn Augen suchten jede in Frage kommende Spalte nach dem Schuh ab, bis Lorenzo plötzlich einen Kreischer hören liess: er sieht den Flipflop! Da, ganz unten!
Der Schuh war etwa 3 Meter weit in eine Spalte gerutscht und da hing er nun. Und wir suchten eine Möglichkeit, da heranzukommen. Marco hat die längsten Arme und der schaffte es tatsächlich irgendwie, den Schuh mit den Fingerspitzen mühsam herauszuangeln.
Und jetzt mussten wir nur noch den Rückweg finden. Wir hatten weder Wasser noch Handy dabei und so wurde das hier langsam mühsam. Marco hatte am Eingang gelesen, dass, wenn man sich verlaufen hat, dann soll man auf einen Hügel steigen und warten bis Hilfe kommt. Super! Da würden wir lange warten.
Also gingen wir weiter, und auf der Suche nach einem Wegweiser entdeckten wir noch allerlei andere spannende Sachen:
Und als wir plötzlich hinter einer Wegbiegung unser Auto entdeckten, machten wir noch ein chilliges Foto:
Und schon ging es weiter. Unsere Reise ging nun unweigerlich zu Ende und so hatten wir noch eine letzte Nacht im Zelt in der Kalahari vor uns. Und das sollte besonders toll werden. Ich entdeckte die Bagatelle Lodge. Blöder Name, ich weiss, aber guckt ihr selbst:
Die Farm ist 10.000 Hektar gross und schön wie ein Bilderbuch. Wir hatten einen riesigen Stellplatz für uns alleine, mit 4 eigenen Duschen und 4 Toiletten sowie einer riesigen Küche. Am Abend lief sogar noch eine Gnu-Herde vorbei. Es war wie in der Serengeti.
Als wir zur Rezeption kamen, wäre ich dort fast gegen ein lebensgrosses Kudu gestolpert. Die Farmer stellen oft grosse Holzfiguren in ihren Eingangsbereich, daher wunderte uns gar nichts mehr. Was mich aber wunderte, war, dass das Kudu mit dem Ohr eine Fliege verjagte. Und da habe ich haarscharf kombiniert, dass es sich hierbei um ein echtes Kudu handelt musste. Glaubt ihr nicht? Guckt ihr hier:
Und weil der Lorenzo die ganze Zeit schon vom Etoscha Nationalpark geschwärmt hat und dort auch unbedingt noch einmal hin wollte, haben wir am Abend noch eine Safari auf der Farm gebucht. Um fünf ging es los! In einem offenen Safari-Auto crossten wir quer über die 10.000 Hektar grosse Farm: roter Sandboden, gelbes Gras und grüne Bäume vor stahlblauem Himmel. Hollywood hätte es nicht besser hingekriegt.
Unser Fahrer – Felix – war super drauf und wusste genau, was eine europäische Familie mit kleinen Kindern braucht: Afrika zum Anfassen. Und da hat er prompt geliefert. Mit einem Grinsen zeigte er uns einen vertrockneten Kackihaufen und wir sollten raten, wer es da nicht bis zum Klo geschafft hatte: Elefant, Oryx, Giraffe, Brontosaurus? Quark! Ein Rhino!!! Wir machten sehnsüchtig lange Hälse und Felix fuhr uns zur nächsten Wegbiegung. Dort dösten Grace und Bruno unter eine Akazie im Schatten:
Felix rief Grace zu sich und meinte, wir sollten sie doch am vorderen Horn streicheln. Die Kids waren begeistert:
Es gab dann noch ganz viele andere Tiere zu sehen:
Und dann passierte plötzlich etwas Merkwürdiges: Felix steuerte den Wagen ganz dicht neben diesen Trinkwasserkübel:
… und fragte die Kids, ob jemand schwimmen kann. Die Kids waren beleidigt. So eine blöde Frage, klar können sie schwimmen. Na dann hopp!
Wie jetzt. Hier? Hopps? Einfach so? Felix schuf Tatsachen: er zog sich sein Hemd aus, kletterte auf das Dach des Autos und zeigte den Kids, wie man am einfachsten in den Bottich kam. Mit einem lauten Klatscher verschwand er in dem ebefalls grünen Wasser und die Kids guckten neugierig, ob er irgendwo wieder auftauchen würde. Und als Felix lachend und guter Dinge wieder auftachte, waren die Kids nicht mehr zu halten. Einer nach dem anderen zog sich die Kleider vom Leib und spang in den Bottich.
Nachdem wir sicher eine halbe Stunde lang den Wassertümpel belagert hatten, fanden wir, dass es Zeit war für einen Sundowner. Der gehört nämlich als krönender Abschluss zu einer Safari mit dazu:
Am nächsten Morgen nahmen wir schweren Herzens Abschied von der Kalahari. Besonders wehleidig waren wir, weil das unsere letzte Nacht in den Dachzelten war. Wir würden nun noch zwei Tage nach Windhuk, der Hauptstadt Namibias, gehen und danach zurück in die Schweiz reisen.
Wendekreis des Steinbocks
Wenn man von Keetmanshoop aus nach Windhuk fährt, kommt man unweigerlich an diesem Schild vorbei:
Der Wendekreis des Steinbocks, englisch Tropic of Capricorn, ist der südlichste Breitenkreis, an dem die Sonne im Zenit steht. Und zwar tut sie das genau einmal im Jahr, am 21. Dezember, danach wandert der Zenit langsam wieder nach Norden. Das Pendant zum südlichen Wendekreis ist der nördliche Wendekreis. Dort steht die Sonne an unserer Sommersonnenwende, am 21. Juni, im Zenit. Beide Breitenkreise befinden sich auf jeweils 23.5 Grad nördlicher, respektive südlicher Breite. Genau dazwischen liegt der Äquator, an dem die Sonne zweimal im Jahr im Zenit steht, genau dann wenn wir die Tag-Nacht-Gleiche haben. Für alle, deren Lieblingsfach Musik oder Sport war: der Zenit bedeutet, dass die Sonne im rechten Winkel auf die Erde scheint. Oder bäuerlich erklärt: wenn man einen Pfosten senkrecht in die Erde rammt und die Sonne im Zenit steht, dann wirft der Pfosten keinen Schatten.
Dieser Zenit wandert um den Äquator im Jahreszeitenverlauf herum, jedoch nur innerhalb dieser Wendekreise. Orte wie Ipsach, die ausserhalb der beiden Wendekreise liegen, haben die Sonne nie im Zenit. Den Bereich innerhalb der Wendekreise nennt man klimatisch Topen. Wir standen nun also genau an diesem Wendekreis zwischen Tropen und Subtropen und hatten den Zenit der Sonne um genau 3 Wochen verpasst.
Hier noch mal für alle, die eher visuell orientiert sind die Funktionalität der Wendekreise bildlich dargestellt:
Wäre die Erdachse zur Sonne nicht geneigt, so wäre der Zenit ganzjährig am Äquator. Am besten erklärt man dass mit einem handelsüblichen Globus und einer Lampe als Sonnenersatz. Dann sieht man ganz automatisch, wie sich der Zenit mit den Jahreszeiten verschiebt.
Wenige Kilometer hinter diesem Wendekreis hatten wir auch schon das letzte Ziel unserer Reise erreicht:
Windhuk
Die Hauptstadt Namibias war unsere letzte Etappe. Hier hatten wir vor vier Wochen unsere Reise angetreten, nun würden wir sie hier beenden. Wir hatten uns ein Häuschen am Stadtrand gemietet und wollten dort bisschen entstauben. Und da fing ich mit den Plüschtierli an:
Weil wir noch für die Kinder einen Coronatest brauchten, haben wir hier bisschen Zeit eingeplant. Ansonsten gibt es nicht wahnsinnig viele Gründe, seine knappen Urlaubstage mit Windhuk zu verplempern.
Was der Lonely Planet übrigens ganz anders sieht. Schlägt man dort die Sehenswürdigkeiten von Windhuk nach, findet man eine abenteuerlich lange Liste, und die sieht ungefähr so aus:
- Elefantensäule (von irgendeiner namibischen Bildhauerin)
- Christuskirche (irgendein Gotteshaus)
- Zoo Park (war früher mal ein Tierpark, jetzt ein Treffpunkt für Büroangestellte)
- Heinitzburg (Nobelrestaurant)
- National Art Gallery (ganz viel Kunst)
- Owambo Memorial (Denkmal)
- Turnhalle (keine Ahnung wie die es hier auf die Liste geschafft hat)
- National Museum of Namibia
- Trans-Namib Railroad Museum
- Owela Museum
- Geological Survey Museum
- Pure & Simple Art Gallery
- Alte Feste
- Independence Memorial Museum
Gäääääähhhhhnnn! Also die Liste ging glaubich noch weiter, aber irgendwo hier bin ich dann eingeschlafen. Ich muss die Redaktion von Lonely Planet bei Gelegenheit mal Fragen, ob das wirklich deren Ernst ist.
Also ich muss wohl nicht erwähnen, dass wir diesen Museums-Marathon unseren Kids – und vor allem uns selbst – nicht zugemutet haben. Stattdessen haben wir die Liste kreativ umgeschrieben. Denn bei genauerer Betrachtung bietet Windhuk doch noch einige spannende Ausflüge:
- Biltong Fabrikverkauf
- städtischer Friedhof von Windhuk
- die Slums von Katutura
- Meteoritenschauer
Also ich finde das klingt doch deutlich spannender als die Liste vom LP, oder was meint ihr?
Biltong
Aber der Reihe nach. Und da muss ich zugeben, wir gucken gern Friedhöfe an. Oft lernt man über eine Region sehr viel, wenn man ihre Friedhöfe anschaut. Und auf dem Weg zum städtischen Friedhof Windhuk liess Marco plötzlich einen begeisterten Kreischer vernehmen, gefolgt von quietschenden Bremsen. Bevor die Familie erfahren durfte, was da wieder so spannend ist, machten wir einen verkehrswidrigen U-Turn und fuhren wieder zu der Stelle zurück, für die sich Marco begeisterte: ein Biltong Fabrikverkauf.
Ich hatte ja anfangs schon einmal erwähnt, dass Namibia kulinarisch eher gar nichts für Vegetarier ist. Hier wird den ganzen Tag Fleisch gegessen. Und weil auch ein Namibier nicht den ganzen Tag grillen kann, wird zwischendurch Trockenfleisch gekätscht. Auch wir haben bezeiten damit angefangen und sogar die Kids fanden die zähen gewürzten Fleischstreifen lecker. Meist sind sie aus Beef, oft aber auch aus Wild (Zebra, Oryx, Springbok usw.). Jedenfalls hatte Marco schon lange angekündigt, gegen Ende unserer Ferien einen gröberen Vorrat an Biltong mit heimzunehmen. Nicht dass wir daheim noch Entzugserscheinungen kriegen…
Friedhof
Derart gut versorgt starteten wir zum städtischen Friedhof. Also wir wollten da wirklich nur gucken. Namibias Bevölkerung ist ja ein Schmelztiegel verschiedenster Kulturen und ehemaliger Kolonialherren und das würde sich sicher auch an den Gräbern zeigen.
Zunächst liefen wir auch an einigen Gräbern vorbei, die unseren daheim ziemlich ähnlich sahen: die meisten Inschriften waren Afrikaans, Deutsch oder Englisch. Offenbar wurden auf diesem Areal keine Schwarzen begraben. Die Kids entdeckten dann irgendwann weiter hinten einen Bereich mit ganz bunten Gräbern. Ich vermutete, dass es die spezielle Tradition eines schwarzen Stammes ist, seine Toten so zu begraben. Plötzlich erkannten wir Teddybär-Grabsteine, verziert mit Plüschtieren und Spielsachen und uns wurde mit Schrecken bewusst: das ist ein Kinderfriedhof. Und das ging jetzt ziemlich an die Nieren. Keines dieser Kinder war älter als 6 oder 7 Jahre alt geworden und die Gräber waren alle höchstens 20 Jahre alt. Jedes Grab war mit einem Bild des Kindes versehen, was es irgendwie noch schwerer zu ertragen machte. Und dieser Kinderfriedhof ist riesig! Der nahm irgendwie gar kein Ende. Uns wurde etwas mulmig und alle waren froh, als Marco zielstrebig zum Ausgang zusteuerte.
Plötzlich blieb Leonardo dann doch noch an einem Grab stehen: er hatte einen Fussball entdeckt:
Wir haben übrigens nicht herausgefunden, warum hier in jüngerer Zeit so viele Kleinkinder verstorben sind. Laut offizieller Statistik ist die Kindersterblichkeit in Namibia nur leicht höher als in Europa.
Katutura
Und weiter gings. Wir wollten uns das Armenviertel von Windhuk anschauen. Auch hier lernt man mehr über eine Stadt als wenn man sich nur im Shopping- oder Business-Disktrikt aufhält. Die sogenannten Slums von Windhuk liegen im Stadtteil Katutura. Zu Zeiten der Apartheit wurden die Schwarzen hier angesiedelt, ähnlich wie in den Homelands in Südafrika. Und wir wussten dass es hier einen Open Market gibt. Wir lieben solche Märkte. Hier sprudelt das Leben und es gibt meist etwas gutes zu Essen. Und wir wurden nicht enttäuscht:
Im Lonely Planet wird der Markt übrigens auch erwähnt: unter den „don’ts“, das was man auf keinen Fall tun sollte. Weil man sonst sofort bestohlen, überfallen, ausgeraubt, erschlagen wird. Also zumindest schreibt der Lonely Planet, dass, wenn man es sich schon gar nicht verkneifen kann, in dieses Viertel zu gehen, dass man das unbedingt mit einem ortskundigen Führer tun sollte. Und das haben wir sogar beherzigt: unser ortskundiger Führer war unser gesunder Menschenverstand. Die Leute hier waren alle super nett und gut drauf. Alle wollten wissen woher wir sind und überall sollten wir was zu Essen oder Trinken probieren. Hygienische Bedenken haben wir irgnoriert und bis Redaktionsschluss erfreute sich die Familie allerbester Gesundheit.
Hier noch einige Impressionen von Katutura:
Meteoritenschauer
Ganz zufällig beendeten wir unsere vierwöchige Reise so, wie wir sie begonnen hatten: mit Meteoriten. Unsere erste Sehenswürdigkeit war der Hoba Meteorit gewesen und nun wollten wir den Meteoritenschauer in Windhuk anschauen.
Dabei handelt es sich nicht um eine Kometendusche, sondern um eine Ansammlung kleinerer Meteoriten, die vor 600 Millionen Jahren hier um Windhuk auf die Erde gefallen waren. Und die sind mitten in der Fussgängerzone von Windhuk ausgestellt. Im Lonely Planet werden die Meteoriten übrigens mit keinem Wort erwähnt. Museen und Gallerien sind offenbar spannender. Aber guckt selbst:
Und damit sind wir am Ende der Reise angekommen. Uns fehlte nur noch ein Covid-Test für die Heimreise. Alle drei Kids mussten tapfer antreten, weil sie noch nicht geimpft sind. Zum Glück entdeckten wir auf der Suche nach einer Kneipe zufällig diesen Drive Through:
Letzte Impression:
Wie durch ein Wunder waren alle drei Testergebnisse negativ und so konnten wir unbehelligt nach Hause reisen.
Und da sitzen wir jetzt in Ipsach und es ist kalt und wir sind fix und fertig von der Reise und brauchen jetzt erst einmal dringend Ferien 😉
Vielen Dank an alles für’s Lesen und Kommentieren unseres Blogs. Wir haben da immer riesig Freude über Rückmeldungen. Und für alle, die der Meinung sind, unsere Blogbezeichnung abenteuer-südsee.ch ist irgendwie nicht mehr so passend: ihr habt Recht! Wir überlegen uns da was.
Tschüssli!
Familie Rocchi
17. Januar 2022 um 15:57
Das waren tolle Ferien. Fast zu intensiv mit dem vielen Fahren und dadurch, dass wir meist nur eine Nacht am gleichen Ort geblieben sind (vs Südsee wo wir meist 1+ Wochen am gleichen Ort waren). Kombiniert mit der Hitze und dem oft zum Arbeiten ungeeigneten Internet hat es aber tiptop gepasst 🙂
Das Schlafen im Zelt war viel besser als „befürchtet“ (richtige Matratzen mit nordisch schlafen), und auch die Kinder schliefen tief und fest.
Die Verpflegung war kein Problem. Morgens Müesli, mittags Snacks (v.a. Biltong!), abends meist Bräteln – bei Preisen von zT nur CHF 7 pro kg T-Bone Steak machte das auch richtig Freude! Alkfrei-Bier hatte ich fast jeden Tag, dank dem eingebauten Kühlschrank auch immer schön kühl. Ein paar Mal waren wir auswärts essen und das war eine schöne Abwechslung.
Viele Reisende, mit denen wir sprachen, waren „Wiederholungstäter“ in Namibia. Ich verstehe sie voll. Wenn es geht, möchten wir in einem Jahr wieder eine ähnliche Reise machen und so dem Winter in der Schweiz entfliehen (Namibia + Botswana). Bis dann bräuchten wir eine neue Domain – rocchi.ch bietet sich da an!
17. Januar 2022 um 17:15
Herzlich willkommen wieder hier in Ipsach.
Echt spannend und mit vielen schönen Einblicke geschrieben.
Natürlich sind wieder die Bilder sehr interessant und schön aufgenommen.
Besten Dank für diese voller unvergesslicher Eindrücke Ihrer Reise.
Liebe Grüsse
Fam. R.Arn
4. Februar 2022 um 19:17
Jetzt bin ich endlich dazu gekommen, bis zum Ende durchzulesen. War wieder mal genial, euer Reisebericht!! Wir haben fast alle Plätze auch besucht vor 4 Jahren, toll, das nochmals nachzuerleben.😊