Jaaaa, wir hatten uns Weihnachten auch etwas ruhiger vorgestellt. Aber das Wetter kann man nicht ändern, das muss man nehmen wie es kommt. Auch einen Zyklon in der Weihnachtszeit.

Aber der Reihe nach: Wir waren in Sigasiga am sehr frühen Morgen abgereist. Mit der Fähre sollte es auf die Insel Taveuni östlich von Vanua Levu gehen. Die Überfahrt dorthin war geprägt von schlechter Laune unserer Kinder. Was der genaue Auslöser war, weiss ich nicht mehr, vielleicht lag es am zu frühen Aufstehen. Sicher ist aber, dass sich die Laune auf der Schiffsfahrt noch weiter verschlechterte. Zunächst landeten wir mal auf dem falschen Schiff. Das merkten wir natürlich erst, als unser gesamtes Gepäck mühsam im Frachtraum verstaut war. Der Ticketkontrolleur meinte, wir müssen wieder raus, unser Schiff kommt erst noch. Na toll! Kann ja keiner ahnen, dass hier gleich zwei Schiffe am Morgen um die gleiche Zeit abfahren würden.

Die Kids maulten im Terzett. Hitze, Mücken und dann auch noch das falsche Schiff – was zu viel ist, ist zu viel! Aber es kam noch schlimmer: ein rostiges Schiff, das von weitem eher einem Schiffswrack ähnelte, hielt tapfer auf unsere Anlegestelle zu. Irgendwann war selbst dem letzten Optimisten klar: das ist unseres. Ein letztes Stossgebet und rauf auf den Kutter.

Unsere Rost-Fähre nach Somosomo

Wir suchten einen einigermassen erträglichen Ort auf der überfüllten Fähre und fanden einen menschenleeren Platz vorne auf Deck. Obwohl, so ganz menschenleer war der gar nicht: ein junger Mann sass dort und war mit seinem Smartphone beschäftigt. Ich ging mit den Kids irgendwo Schatten suchen und als wir wieder zurückkamen, war Marco mit dem jungen Mann ins Gespräch gekommen.

Der junge Mann sah aus wie ein typischer Einheimischer, aber – und das glaubt ihr jetzt sicher nicht –  sein Ururgrossvater war ein gewisser Jakob Steiner aus der Schweiz! Na, da brat mir doch einen nen Storch! Inwieweit der Ururgrossvater aus dem Grossraum Zollikofen stammte, liess sich leider nicht mit abschliessender Gewissheit klären.

Marco im Gespräch mit dem Ururenkel von Jakob Steiner

Die weitere Überfahrt verlief ohne grösseren Aufreger. Ein Taxi brachte uns in das 20km weiter nördlich gelegene Matei. Hier haben wir eine sehr einfache Unterkunft gebucht: ein Häuschen mit nur kaltem Wasser und drei Stunden am Tag Strom. Wir hatten uns aber im Vorfeld versichert, dass es in Fussdistanz zwei Lädeli gibt. So konnten wir täglich einkaufen und brauchten keinen Tiefkühler. Allerdings hatten wir erwartet, dass der Kühlschrank bei drei Stunden Stromversorgung etwas kälter wird als schlappe 20 Grad. Könnt ihr euch vorstellen, wie Butter bei der Temperatur nach einem Tag aussieht??? Nein, das wollt ihr nicht so genau wissen.

Unser Häuschen in Matei

Schon bei unserer Ankunft an unserer Unterkunft war uns jenes kleine orangene Wägeli aufgefallen, welches direkt vor unserem Haus stand und da lümmelten immer jede Menge Leute davor und schleckten irgendwas.

Oranges Wägeli vor „unserem“ Haus

Also schlichen wir da vorsichtig mal ein bisschen näher und stellten fest, dass die alle ein Gelato essen. Ein richtiges italienisches Gelato! Eine Südafrikanerin schwärmte uns etwas vor, dass das Gelato der Hammer sei und aus einheimischen Früchten gemacht. Sollten wir unbedingt probieren. Wir waren seeeehhhr skeptisch. Woher sollen die hier in Fiji wissen, wie man ein Gelato macht, die waren doch noch nie in Italien. Also wurde ein Freiwilliger gesucht, der mal testweise eines bestellte. Die Mimi wollte das übernehmen. Sie bestellte Maulbeereis und Passionsfrucht. Wir standen alle um das Gelato herum und probierten ganz vorsichtig. Hmmmmm! Das war der Hammer! Solche kulinarischen Höhenflüge hatten wir ja schon lange nicht mehr erlebt. Ein richtiger Gaumenschmaus! Wir wurden mutig, zählten unser Kleingeld und gingen zackigst jeder ein Gelato kaufen. Nur der Leonardo nicht, der mag keine Glace.

Gelato – direkt nebenan!

Aber ein Rätsel war uns das dennoch. Der Glacestand gehörte zu unserem Vermieter und der war ein ganz normaler Einheimischer. Wie kommt der auf die Idee, hier so einen Glacewagen herzustellen? Ich muss vielleicht auch noch dazu erwähnen, dass es in Fiji total untypisch ist, dass man am Strassenrand irgendwas kaufen oder essen kann. Es gibt hier auch keine Strassencafés oder sonst irgendetwas Gemütliches am Strassenrand. Und dann hier plötzlich sowas? Passte irgendwie gar nicht. Einige Tage später klärte sich das dann plötzlich auf. Unser Vermieter erklärte uns, dass er das Eis selber macht, er hat da eine kleine Fabrik und die Eisautomaten hat er aus Deutschland. Moment, wie noch mal – Deutschland? Ja, er arbeitet da mit so einem Deutschen zusammen und der hat die ganzen Geräte mitgebracht. Und die Idee mit dem Glacewagen war auch seine. Okay, da lichtete sich doch das Rätsel etwas. Aber so ganz stimmte das immer noch nicht. Denn: auch die Deutschen sind nicht gerade bekannt für gutes Gelato. Aber auch das klärte sich auf. Eines Tages nämlich, als wir mal wieder ein Gelato holen gingen, stand doch plötzlich der ominöse Deutsche dort herum und neben sich – ihr ahnt es sicher schon – seine Freundin, eine Italienerin!!! Und so kamen wir zu weltklasse Gelato – auf einer kleinen Insel im Südpazifik! Wir holen seither jeden Tag dort unser Gelato und meist wird schon am Frühstückstisch diskutiert, welche Geschmacksrichtung.

Unser Vermieter in seinem Glacewagen

Übrigens hat der Glacewagen noch einen weiteren positiven Nebeneffekt: Wir müssen keinem Taxifahrer mehr umständlich erklären, wo er uns hinfahren muss wenn wir heim wollen. Wir sagen dann einfach: to the ice cream. Dann gibt’s ein breites Grinsen im Taxifahrer-Gesicht und sofort ist alles klar. Manchmal – wenn wir mit dem Taxidienst zufrieden waren – lädt Marco den Taxifahrer auch noch auf ein Gelato ein. Aber nur manchmal…

Und noch etwas anderes sollte ich zu unserer Unterkunft erwähnen. Also im Reisekatalog würde das unter „verkehrsgünstige Lage“ vermerkt sein: wir wohnen direkt am Flughafen von Taveuni. Und die Start- und Landepiste geht direkt hinter unserem Haus lang. Aber bevor wir anfangen, euch leid zu tun: auf dem Flughafen ist fast so wenig los wie in Bern-Belp. (Für alle, die den Flughafen Bern-Belp nicht kennen: das ist der Flughafen, wo die Flugzeuge manchmal im Landeanflug noch einmal durchstarten müssen, weil Kühe auf der Landebahn grasen…). Und auch hier in Matei ist es eher ein Erlebnis, wenn mal eine Maschine startet und wir rennen dann immer raus, wenn wir den Motorenlärm hören und dann haben wir grosse Freude, weil genau auf Höhe von unserem Haus die Flugzeuge abheben. Immer wieder ein Erlebnis.

Das hat man doch nicht alle Tage!

Die internationale Datumsgrenze

Eines Tages wollten wir einen Ausflug machen. Drei Sachen standen auf dem Programm: eine katholische Missionskirche, die Datumsgrenze und eine Wasserrutsche. Die Kids fanden die ersten beiden Programmpunkte mal wieder total überflüssig und verstanden nicht, warum wir nicht direkt zur Wasserrutsche fahren. Aber bisschen Kultur und Bildung schadet denen nicht.

Die Kirche war ein Tipp aus dem Lonely Planet und auf jeden Fall sehenswert. Schon allein ihre Lage an einem Hang am Meer war unglaublich.

Katholische Missionskirche

Innen jedoch fiel die spärliche Möblierung auf: hatte da jemand die Bänke geklaut???

Da hat einer die Bänke geklaut!

Unser Fahrer klärte uns auf: hier sitzen während der Messe alle im Schneidersitz auf dem Boden. Nur so ganz am Rand: versucht mal, daheim länger als zehn Minuten im Schneidersitz auf dem Boden zu hocken. Jede Wette, nach drei Minuten schlafen euch die Beine ein? Den Einheimischen scheint das aber nichts auszumachen. Die können stundenlang so hocken. Naja, gelernt ist gelernt…

Und da waren wir auch schon an der internationalen Datumsgrenze. Also eigentlich ist das die falsche Bezeichnung. Genau genommen standen wir direkt auf dem 180. Längengrad. Für alle, die in Geografie genauso gut geschlafen haben wie ich: der 180. Längengrad ist das Pendant zum Nullmeridian. Ab hier wird wieder rückwärts gezählt, bis nach Greenwich. Und das Besondere an diesem 180. ist, dass hier die Datumsgrenze langgeht. Reist man von West nach Ost – wie wir, dann reist man ab hier in den gestrigen Tag. Kommt man aber von Osten und will in den Westen, überspringt man einen Tag. Das wurde irgendwann mal willkürlich so festgelegt, weil die Gegend um den 180. so dünn besiedelt ist. Nicht ahnend, was sich in der Folge daraus für ein Menetekel entwickelte. Dummerweise geht nämlich der 180. genau durch Taveuni. Und da hat die Regierung in Fiji irgendwann diese Datumsgrenze weiter nach Osten verschoben, damit ganz Fiji das gleiche Datum hat, was eigentlich sinnvoll ist. Die Datumsgrenze macht jetzt dort so einen Knick, bevor sie sich wieder beim 180. Längengrad einfindet. Aber damit nicht genug. Das weiter östlich gelegene Samoa fand es extrem unschön, dass nun die Datumsgrenze genau vor deren Nase verläuft und sie die letzten sind, die am ersten Januar das neue Jahr begrüssen dürfen. Offenbar war denen das so wichtig, dass auch sie die Datumsgrenze nach Osten weitergeschoben haben. Blöderweise gibt es aber zwei Samoas: West-Samoa und Amerikanisch Samoa. Letzteres gehört zu den USA. Und nun verläuft also die Datumsgrenze zwischen den beiden Samoas durch eine etwa 20km breite Meerenge. Und ich ahne schon wie das jetzt weitergeht: es wird nicht lange dauern und Amerikanisch Samoa findet es albern, zu Samoa ein unterschiedliches Datum zu haben. Auch hier wird es einen Volksentscheid geben und schwupps – liegt die Datumsgrenze östlich von Amerikanisch Samoa. Da dieses aber zu den USA gehört, werden die USA irgendwann ebenfalls die Datumsgrenze nach Osten verlegen, und schon befindet sich die Datumsgrenze kurz vor Europa – irgendwo in der Nähe des Nullmeridians, oder so.

Jedenfalls gibt es hier – genau an diesem umstrittenen 180. Längengrad – ein kleines Schild, welches zweigeteilt ist. Genau mitten durch verläuft die Datumsgrenze und man kann mit einem Bein im gestrigen Tag stehen und mit dem anderen Bein im heutigen. Und weil das so lustig ist, haben wir uns alle dort fotografieren lassen:

Rocchis an der Datumsgrenze

Wir haben übrigens mal probiert, mit dem Smartphone-Kompass den 180. Längengrad anzuzeigen. Und das glaubt ihr jetzt wahrscheinlich nicht: aber es ging nicht. Das GPS zeigt immer entweder 179.59 Grad Ost oder 179.59 Grad West an. Bei 180 Grad wüsste es wohl nicht ob es Ost oder West anzeigen soll und so rundet es lieber auf den 179. auf oder ab:

Der Kompass kennt den 180. nicht

Und nach so viel Geografieunterricht waren die Kids bereit für die Wasserrutsche. Dabei handelt es sich aber nicht um den üblichen Plastikspass in grün und blau, sondern um eine natürliche Rutschbahn in einem Bachbett. Unser Taxifahrer brachte uns dort hin. Kurz bevor wir zu dem Fluss einbogen, kamen wir an einem Gefängnis vorbei. Also ich muss ehrlich zugeben, das war das idyllischste Gefängnis, das ich je gesehen habe. Es bestand aus zwei Gebäuden und einem paradiesisch gepflegten Garten mit Blüten und Früchten mit etwas Stacheldraht drum herum, an einem Hang mit Blick auf das Meer. Die einzigen beiden Insassen sassen in orangen Anzügen gut gelaunt vor einer Baracke und assen eine Papaya. Als wir mit dem Taxi vorbeifuhren, grüssten sie ganz freundlich „Bula“. Was die wohl verbrochen haben? Den Nachbarn nicht gegrüsst?

Naja, weiter ging‘s. Zur Wasserrutsche mussten wir etwas laufen. Für einmal gab es kein Gemaul bei den Kurzen. Sie waren in heller Aufregung. Ich hatte etwas Angst. Die Sache schien nicht ganz ungefährlich zu sein, da die Strömung an einigen Stellen recht stark war. Offenbar stört Kinder sowas nicht. Innerhalb von Sekunden waren die Badehosen montiert und da waren sie auch schon nicht mehr zu halten. Alle Warnungen von uns in den Wind schlagend, rutschten sie mit lautem Quietscher das Bachbett hinunter. Ganz zum Schluss wurde es etwas schneller, und da sah ich sie schon mal hektisch mit den Armen fuchteln. Auch das hinausklettern auf den glitschigen Steinen schien nicht ganz einfach. Aber schon kamen sie wieder angerannt und rutschten weiter. Marco hat es auch ein Mal probiert, hatte aber Angst um seine Bandscheiben. Und ich beschränkte mich bei sowas generell lieber auf die Rolle des Fotografen:

Weihnachten unter Palmen

Ach ja: Weihnachten war auch noch. Irgendwie hätten wir das fast verpasst. Nicht nur dass das Wetter in Fiji total unweihnachtlich ist, auch sonst wird kaum ein Brimborium darum gemacht. Die Inder feiern eh nicht Weihnachten und die Fijianer gehen an den Strand und essen Seeigel. Und das sieht dann so aus, also am Morgen danach:

Die Reste vom Weihnachtsschmaus: Seeigel-Gehäuse

Wir assen keine Seeigel sondern hatten in der örtlichen Pizzeria das Weihnachtsbuffet reserviert. Die Pizzeria heisst Il Tramonto (Sonnenuntergang) und ist malerisch auf einem Felsen über dem Meer gelegen. Hier genossen wir den Luxus gekühlter Getränke:

Cheers!
Weihnachten in der Pizzeria Tramonto
Blick von der Pizzeria mit „Tramonto“

Am Tag vor Weihnachten hatte Marco plötzlich festgelegt, dass wir einen Weihnachtsbaum brauchen. Ich hielt das für einen Scherz und witzelte, dass wir da auch richtiges Lametta aus der DDR importieren müssen. Marco fand das gar nicht lustig – er wollte einen Weihnachtsbaum. Also liessen wir am 24. Dezember am Vormittag ausnahmsweise den Schulunterricht ausfallen und bastelten aus Klopapierverpackung diese tollen Baumkugeln.

Baumkugeln aus Klopapierverpackung

Anschliessend zottelten wir an den Strand und suchten irgend etwas Weihnachtsbaumiges. Wir entschieden uns für ein paar Palmwedel. Unterwegs nahmen wir noch ein Bananenblatt mit – als Geschenkpapier gut geeignet. Das Ergebnis sah dann so aus:

Unser Weihnachtsbaum – hässlich aber selten!
Die Geschenke – für einmal ganz Öko
Endlich Bescherung!
Für jeden ein Rätselblock
Weihnachtliche Lektüre

Im Auge des Zyklons

Weihnachten war noch gar nicht richtig vorbei, da kam auch schon ein ungebetener Gast: Zyklon Sarai. Nichts deutete auf einen Zyklon hin. Ich hatte seit Tagen die Wetterprognosen beobachtet und da war nur bisschen Regen gemeldet. Alles kein Problem, solange dieser bei 28 Grad stattfindet. Dachte ich.

Nachts um 3 wurde ich wach. Etwas hatte mich geweckt. Etwas Gewaltiges! Irgendwas polterte und rumpelte und dröhnte. Letzteres entpuppte sich als Starkregen. Und die Polterei? Ich schnappte mir eine Stirnlampe und ging im Haus auf Suche. Dort begegnete ich der halben Familie, die ebenfalls schlaflos auf Wanderschaft war: Romina beschwerte sich wegen des Lärms und Lorenzo suchte das Klo. Gemeinsam fanden wir das Klo und nun wusste ich auch wo das Gepolter herkam: die Klotür schlug die ganze Zeit auf und zu. Im ganzen Haus herrschte massiver Durchzug. Also versuchte ich, die Fenster etwas abzudichten, ganz schliessen lassen sich die Dinger nicht. Dann fiel mir auf, dass ich dem Leonardo noch gar nicht begegnet war. Ich ging vorsichtig in sein Zimmer – das Bett war leer. War aber auch kein Wunder: durchs Fenster regnete es munter herein – direkt auf seine Bettdecke. Wobei mir dann plötzlich auffiel, dass die Bettdecke irgendwie die Form eines fünfjährigen Kindes hatte. Der wird doch nicht etwa… Ich riss die Decke zur Seiten und da starrten mich die schreckgeweiteten Augen von Leonardo an. Der Regen tropfte direkt auf sein Gesicht. Ich fragte, warum er sich da unter dem Bettlaken versteckt. Er meinte, wegen Angst. Na, aber wieso kommt er denn da nicht zu uns ins Schlafzimmer??? Immer noch wegen Angst! Hmm, und da versteckt er sich lieber unter der Bettdecke – Problemlösung geht anders. Also schoben wir gemeinsam sein Bett in die Zimmermitte, denn bis dahin schaffte es der Regen nicht und den Rest der Nacht blieb ich besser bei ihm, man weiss ja nie.

Und Marco? Der war der Einzige, der in dieser stürmischen Nacht geschlafen hat wie ein Baby – der hatte von dem ganzen Gehühner nichts mitgekriegt und erfuhr erst am Frühstückstisch von der nächtlichen Aufregung.

Allerdings hatte er sich über die Ameisenstrasse gewundert, die mitten durch unser Bad führte. Also das muss eine richtige Ameisenautobahn gewesen sein. Jedenfalls hatte Marco sich des Ameisenproblems bereits liebevoll angenommen. Eine Sprayflasche mit der vielsagenden Aufschrift „MORTEIN“ in Rot mit gelben Blitzen und schwarzen Totenköpfen und Myriaden toter Ameisen machten mir klar, was sich hier abgespielt haben musste. Offenbar hatte der Zyklon das Ameisennest überschwemmt und da hatten sie sich eine neue Bleibe gesucht. Marco fragte dann hoffnungsvoll, ob ich die Sauerei nicht irgendwie wegputzen könne. Klar, mach ich doch gern…!

Und da hatten wir ihn jetzt also: unseren ersten Zyklon! Also zum Glück streifte er uns nur ein wenig, aber die Auswirkungen waren für uns völlig ausreichend, mehr brauchten wir nicht.

Bisschen windig heut…

Auch via Google Maps wurden wir gewarnt:

Bildschirmfoto Google Maps

Wobei nicht wirklich das Wetter ein Problem war, vielmehr wurde das Ausharren in unserem 80qm-Haus zur Herausforderung. Nach einem knappen Tag begannen die ersten Auswirkungen eines ausgewachsenen Kajütenkollers: die Kids begannen, das Sofa als Trampolin zu missbrauchen, kletterten im Spreizkamin am Türrahmen hoch und begannen lautstark, deutsche Schlager zu singen. Spätestens bei „Marmor, Stein und Eisen bricht“ war klar: wir müssen hier raus! Und zwar schnell!!! Zyklon hin oder her. Ausserdem besagt ein altes bescheuertes Sprichwort, dass es kein schlechtes Wetter gibt, sondern nur unpassende Kleidung.

Im Spreizkamin den Türrahmen hoch

Ach ja, apropos passende Kleidung: wo waren eigentlich unsere Regenjacken? Seit unserer überhasteten Abreise aus Neukaledonien vor vier Monaten – wir erinnern uns an die Geschichte mit dem vollgek… Auto – hatten wir die Jacken nicht mehr gebraucht. Ich fand sie nach kurzer Suche in einem Koffer ganz unten, total zerknautscht und zerknittert. Aber auf Schönheit kommt‘s heut nicht an, wir würden eh draussen niemandem begegnen. Wir warteten eine Regenpause ab und stürzten uns ins Abenteuer. Es war der reinste Hindernisparcour um die Kokospalmen herum. Irgendwie schafften wir es lebend an den Strand. Und weiter mussten wir gar nicht. Der Sturm hatte allerlei interessante Dinge angespült. Die Portugiesischen Galeeren waren natürlich besonders spannend. Die lagen am ganzen Strand herum und lebten sogar noch. Lorenzo sammelte eine davon ein und schwelgte in Forscherlaune. Sein neues Haustier wurde mit grosser Hingabe beobachtet, gefilmt und fotografiert. Ihr habt ja sicher seinen Blogbeitrag dazu gelesen. Leider hat das Haustier die Nacht nicht überlebt. Am nächsten Morgen schwebte sie irgendwie farblos und mausetot in ihrem Flaschengefängnis. Arme Galeere!

Der Sturm hielt übrigens zwei Tage an und flaute dann langsam ab. Am zweiten Tag trieb uns dann neben dem beschriebenen Kajütenkoller auch noch Vitaminmangel raus in die Natur: wir hatten keine Früchte mehr. Aber kein Problem, die Jacken hingen ja noch zum  Trocknen über den Stühlen. Also raus an die frische Luft. Wir liefen die Strasse hinter Richtung Dschungel.

Hier hatte der Zyklon auch gewütet
Und in der Pfütze fanden die Kids die kleinsten Frösche der Welt

Eigentlich hofte ich, hier ein paar Papayas zu finden. Allerdings mussten wir recht weit dafür laufen, und dann fanden wir auch gerade mal eine mickrige Papaya. Keine wahnsinns Ausbeute. Zu allem Überfluss fing es auch noch an zu regnen, und zwar richtig. Also eigentlich war es gar kein Regen, mehr so eine Art massive Dusche. Ich machte mir ernsthaft Sorgen um meine Kamera. Die war zwar unter einer wasserdichten Hülle gut verstaut, aber die Hülle war dummerweise auch schon total durchnässt und das Wasser lief in Strömen von mir herab Richtung Fototasche. Also suchte ich Schutz unter einem Baum. Regenwaldbäume sind da erstaunlich: sie lassen fast kein Wasser durch und so stand ich dort relativ unbehelligt mit meiner Fototasche im Trockenen – und hatte Zeit, mich ein wenig umzuschauen. Und da fielen mir die komischen gelben Eier auf, die hier überall herumlagen. Ich hob eines auf und machte den Supermarkt-Früchte-Schnüffeltest: das „Ei“ roch verführerisch gut. Und eine alte Supermarkt-Früchteecken-Logik besagt: wenn die Früchte gut riechen, dann kaufen! In diesem Fall hier: nach Marco schreien, weil der hat den Stoffbeutel dabei. Und da wir bei den Papayas nicht so erfolgreich gewesen waren, hatte es noch viiieeeel Platz für die ganzen Passionsfrüchte, denn um die handelte es sich bei den gelben Eiern.

Passionsfrüchte, für einmal gar nicht sauer
Hat für zwei Tage gereicht

Also Vitaminmangel hatten wir an diesem Abend nicht mehr. Und am nächsten auch nicht… Dafür hat meine Fototasche Schimmel angesetzt.

Der Lavena Coastal Walk

Nach der ganzen zyklonbedingten Rumsitzerei hatten wir am Tag 1 nach dem Sturm das Bedürfnis nach einer Wanderung. Der Lonely Planet schwärmt vom Lavena Coastal Walk. Nur 5 Kilometer lang, vorbei an Traumstränden und endet an einem erfrischenden Wasserfall. Genau das Richtige im Kampf gegen den Kajütenkoller. Wir organisierten ein Taxi und fuhren los. Bis zum Dorf Lavena holperten wir eine Stunde lang über eine „Dirt road“ und erfreuten uns an den kaputten Stossdämpfern des Taxis. Aber irgendwann waren wir da, am Besucherzentrum. Welches natürlich geschlossen war. Sogar der Taxifahrer wunderte sich und ging im Dorf auf Suche. Nach 5 Minuten kam er zurück und meinte, das ganze Dorf sei in der Kirche. Ach ja, es ist ja Sonntag! Fast vergessen. Es kam dann aber doch noch jemand dahergerannt und meinte, wir müssten einen Guide mitnehmen, weil es wegen des Regens sonst gefährlich sein könnte. Also gut, nehmen wir den Guide auch noch mit. Und der war ein totaler Glücksfall. Er kümmerte sich liebevoll um uns, schaute dass niemand verloren ging und trug die Kinder über den Fluss:

Keine Brücke, dafür ein Seil – und der Guide

Das letzte Stück der Wanderung geht einen Fluss entlang durch den Dschungel zu einem Wasserfall. Und das war die grünste und schönste Landschaft, die ich je gesehen habe. Also grüner geht’s wirklich nicht mehr:

Ziemlich grün!
Wunderschöne Blüten am Wegesrand
Auch mit Schmetterling ein Traum
Was sich die Natur bei dieser Blüte gedacht hat, bleibt hingegen ein Rätsel

Und angesichts des Wasserfalls staunten wir dann aber alle:

Wasserfall am Ende des Lavena Coastal Walk
Auch schön mit Romina

Die Kids stürmten sofort den Fluss und wir schwammen die letzten Meter zum Wasserfall und tummelten uns in dem natürlichen Pool, der sich rund um den Wasserfall gebildet hatte. Die Kinder erfreuten sich vor allem daran, an den steilen Wänden hochzuklettern und anschliessend ins Wasser zu springen. Zum Glück hatten wir den Wasserfall für uns alleine. Es war ein bisschen wie im Paradies:

Weiter hinten entdeckten wir noch einen zweiten Wasserfall (links)
Nach der blöden Latscherei endlich mal was Lustiges!
Auf dem Rückweg entdeckten wir diese Felsformationen

Auf den zweithöchsten Berg von Taveuni

Taveuni ist übrigens keine von diesen flachen Rafaello-Inseln wie man sie aus einschlägiger Werbung kennt. Nein! Taveuni hat richtig hohe Berge! Und weil es den gemeinen Schweizer auch in der Ferne ab und an auf die Berge zieht, beschlossen wir, auf den Des Voeux Peak zu gehen. Das ist der zweithöchste Berg von Taveuni. Warum wir nicht den höchsten Berg genommen haben? Ganz einfach: da geht kein Weg hoch, und erst recht keine Strasse. Wir wollten nämlich nicht unbedingt zu Fuss da rauf. Da hatten wir zu viel Respekt vor dem Klima hier. Und der Peak ist immerhin 1.200 Meter hoch! Also fast ein richtiger Berg! Marco organisierte ein 4×4 Taxi, denn das brauchts hier, und los ging’s. Was wir nicht erwartet hatten: die Fahrt mit dem Auto auf den Berg war mindestens so anstrengend wie wenn wir zu Fuß gegangen wären. Die Holperpiste da rauf war in einem erbärmlichen Zustand.

Irgendwann hielt das Taxi unvermittelt an und der Fahrer meinte, ab jetzt müssen wir laufen. War aber auch okay, denn der Leonardo hatte schon angekündigt, dass ihm irgendwie nicht so wohl ist. Und ihr wisst ja, das nehmen wir jetzt immer sehr ernst…

Plötzlich bog unser Fahrer in ein Loch im Urwald ein und meinte, er wolle uns ein Blümchen zeigen. Und tatsächlich, hoch oben im Baum erblickten wir bei genauerem Hinsehen etwas rot-weisses:

Tagimoucea

Das ist die berühmte Tagimoucea. Und die ist den Einwohnern Fiji’s dermassen wichtig, dass sie den 50$-Schein schmücken darf.

Was an der so speziell ist? Ganz klar: die gibt’s nur hier, auf der kleinen Insel Taveuni. Und sonst nirgends auf der Welt. Und sie blüht auch nur einmal im Jahr, und zwar jetzt. Wenn Rocchis hier sind. Ab und zu muss man mal Glück haben.

Und nach einem kurzen Fussmarsch durch ungewohnt kühles Klima, kamen wir oben auf dem Peak an.

Oben auf dem Peak

Und da sahen wir ihn: den Grund, warum hier auf den Peak eine Piste hoch führt. Die ist nämlich keineswegs für die Touristen, sondern wegen der Handyantenne hier:

Antenne auf dem Des Voeux Peak

Und dann genossen wir den Ausblick vom Peak auf die vor uns liegende Somosomo Strait. Das Festland dahinter ist übrigens Vanua Levu, mit Savusavu und Sigasiga – ihr erinnert euch sicher.

Blick vom Des Voeux Peak auf die Somosomo Strait

Inselhüpfen und Schnorcheln

Vis a vis von unserer Unterkunft gab es diese drei kleinen unbewohnten Inseln:

Drei kleine Inseln

Und das interessierte uns natürlich brennend. Also unternahmen wir mehrere Ausflüge dort hin:

Mit dem Kajak zur Insel
Kleine unbewohnte Insel – sogar mit Sandstrand!

Und auf einer dieser Inseln entdeckten wir sogar noch die Überreste einer Perlenfarm, die einem Zyklon zum Opfer gefallen war:

Insel mit ehemaliger Perlenfarm
Auch unter Wasser noch alte Relikte
Marco hebt ein Perlengitter an
Da waren Plünderer am Werk

Aber auch unter Wasser waren diese Inseln sehenswert:

Schöne Korallen zwischen den Inseln
Die sieht man schon von über Wasser – da muss man gar nicht Schnorcheln

Und damit sind wir wieder einmal am Ende unseres Beitrages angekommen. Und mittlerweile kennt ihr es ja, da kommt immer noch ein schickes Abschiedsbild. Heute mit spektakulärem Doppelregenbogen:

Regenbogen